St. Vincent

  Nach unseren ersten beiden DXpeditionen nach Saint Vincent und den Grenadinen, die uns im November 1996 im Rahmen unseres “Dreierhopps” auf die Hauptinsel Saint Vincent und ein halbes Jahr später nach Bequia führten, verschlug es uns im November 2013 zum dritten Mal nach J8, diesmal nach Union Island, einer im Süden der Grenadinen gelegenen, nur etwa 8 km² “großen” Insel.
Das ging in erster Linie auf den Wunsch meiner Frau zurück, der ich anlässlich ihres 65. Geburtstages freie Wahl gelassen hatte, unser Reiseziel zu bestimmen.
 Ich nehme an, dass J8 in Funkamateurkreisen bereits ziemlich “abgegrast” ist und bin deshalb anfangs nur recht halbherzig auf ihren Wunsch eingegangen.
 Da ich bereits im Besitz einer Gastlizenz - J87GU - bin, erscheint es mir nicht allzu schwer, das Rufzeichen wieder zu aktivieren. Da mir karibische Arbeitsweisen nicht fremd sind, beginne ich bereits im Juni mit den Vorbereitungen. Den Antrag auf Erneuerung meiner Gastlizenz schicke ich mit den üblichen Unterlagen (Passkopie, Heimatlizenz-Kopie, vorgesehenem QTH etc) und 25 EC-Dollars an die Lizenzbehörde der NTRC, worauf erst einmal drei Monate gar nichts passiert. Nun doch langsam beunruhigt, rufe ich Ende September dort an, um zu hören, dass der Lizenzantrag eingegangen sei, aber noch einmal 25 EC für die Lizenzausstellung gebraucht würden.
 Zum Glück befindet sich zu diesem Zeitpunkt Fred, DH5FS, im gleichen Hotel auf Union Island, das wir für den 7.-28.11. gebucht hatten. Ich brauchte nicht lange zu bitten. Er fand einen Weg über den Hotelbesitzer Clyde, das Geld an den Mann zu bringen.
 Wieder vergehen einige Tage ohne Reaktion. Als ich erneut anrufe, bestätigt man mir, dass das Geld eingegangen sei und die Lizenz bereitläge. Auf meine Bitte hin, mir eine Kopie der Lizenz per E-Mail zuzuschicken, reagiert man allerdings dann prompt.

 Eine Woche vor Abflug teilt man uns mit, dass – entgegen dem ursprünglichen Flugplan mit American Airlines - die Flüge von Berlin nach Miami durch Air Berlin bedient würden. Was gleichbedeutend damit ist, dass das ursprünglich unlimitierte Handgepäck nunmehr auf 8 kg zusammenschmilzt. Ich kann es beim Packen drehen und wenden wie ich will, es ist immer zu viel. Also verschwindet das Schaltnetzteil des Transceivers im aufzugebenden Gepäck.
 Am 4.11. ist alles verpackt und bereit für den Einsatz. Am 6. holt uns das Taxi um 3:45 Uhr ab, um 6:45 Uhr geht unser Flug über Düsseldorf und Miami nach Grenada. Auf Grund der “etwas“ umständlichen Abfertigung in Miami – Einreiseformalitäten mit riesigen Schlangen vor den Passkontrollen (Einscannen der Fingerabdrücke, Fotos und Visa-Check), Entgegennahme des Reisegepäcks, Zollkontrolle, Aufgabe des Reisegepäcks und abschließender Ausreisekontrolle – Scannen des Gepäcks und in unserem Fall der Vorführung der Gerätschaften - schmilzt die Zeit bis zum Abflug auf gerade einmal 30 Minuten.
Ich habe schon da ein mulmiges Gefühl, das sich dann in Grenada am späten Abend bewahrheiten sollte.
Der Antennenbehälter und unsere Reisetasche sind da, allerdings fehlt der Koffer, in dem sich fast unsere gesamte Garderobe – und was noch viel schwerer wiegt – das Schaltnetzteil, die Spulen für die HF9V und die Koaxkabel befinden.
 Die Stimmung findet sich sofort am Nullpunkt ein. Nach den Formalitäten für verloren gegangenes Gepäck teilt man uns mit, dass der nächste Flug aus Miami erst am Freitagabend ankomme und der Weitertransport unseres Koffers nach Union Island noch recht ungewiss sei, da die achtsitzige Maschine, die ohnehin nur dreimal in der Woche fliegt, nicht unbegrenzt Gepäck mitnehmen könne.

Ein toller Anfang!!!

 Wir fahren in unser Hotel in Grand Anse. Am nächsten Morgen geht es gegen 07:00 Uhr weiter nach Union Island.
Unser Gastgeber Clyde empfängt uns am Flugplatz und ab geht‘s zum “Islander’s Inn”, unserer Bleibe für die nächsten gut drei Wochen.
Das Hotel liegt direkt am Meer und bietet freie Sicht in alle wichtigen Richtung, von Japan über die USA bis Europa. Ein ausgezeichneter DX-Spot
Zum Nichtstun „verdammt“, muss ich mich aber wohl oder übel auf die Relax-Schiene verlegen.
Sightseeing und ein erster Schnorchel-Ausflug zu den Tobago Cays stehen nunmehr auf dem Programm statt der beabsichtigten Pileups.
 Unsere Tour zu den Tobago Cays gehört ohne Frage zu den Highlights. Die türkisblaue See zwischen den fünf Inseln ist atemberaubend schön. Wer allerdings nur wegen des Schnorchelns dorthin fährt, könnte arg enttäuscht sein. Im Gegensatz zu 1996, als wir noch ein halbwegs intaktes Riff vorfanden, befindet sich jetzt dort nur noch ein riesiges Trümmerfeld toter Korallen. Außer ein paar Schildkröten und Seesternen ist kaum ein Lebewesen zu sehen. Das Korallensterben ist hier in vollem Gange.

 Union Island ist ein kleines, malerisches Inselchen mit umwerfend freundlichen Bewohnern. Man wird allerorten gegrüßt wie ein alter Bekannter. Am Anfang ist man noch versucht, sich umzudrehen, um nach dem Gegrüßten zu schauen, das lässt aber sehr bald nach.

Freitagabend. Es ist 20:00 Uhr. Der WAE startet gerade – ohne mich! Es ist an der Zeit, den Flughafen in Grenada anzurufen, um nach Neuigkeiten zu unserem Gepäck zu fragen. Die Maschine aus Miami müsste bereits angekommen sein. Aber wie der Teufel es will, es hebt niemand ab. Gegen 21:00 Uhr ruft eine Mitarbeiterin des Flughafens Grenada an mit der erlösenden Nachricht, dass der Koffer in Grenada eingetroffen ist. Das löst zwar das Problem noch nicht ganz, aber sie verspricht uns, sich um einen möglichst raschen Transport zu kümmern. Ich kann also wieder nur sitzen und warten.
 Am nächsten Morgen ruft ein Mitarbeiter des Flughafens an und teilt uns mit, dass unser Koffer gegen 09:00 Uhr in Union Island eintreffen wird. Große Freude, die allerdings nur 10 Minuten währt. Dann ein erneuter Anruf. Der Koffer ist für diesen Flug zu schwer, er kommt mit der 15:00-Uhr-Maschine in Carriacou an.
Clyde organisiert ein Wassertaxi.
 Da Carriacou eine zu Grenada gehörende Insel ist, gibt es eine Menge Zoll-Formalitäten zu erledigen. Ausreiseformalitäten in St. Vincent, Einreiseformalitäten in Carriacou und das gleiche nochmals auf dem Rückweg.
Mit dem Wassertaxi geht es in einer halbstündigen, halsbrecherischen Fahrt nach Carriacou. Der Wellengang ist ziemlich heftig und das Wassertaxi kracht von Wellenkamm zu Wellenkamm. Wir steigen wie gebadete Katzen im Hafen von Carriacou aus.
Sofort nachdem ich den Koffer in Empfang genommen habe, geht es nach den Ausreiseformalitäten zurück nach Union Island. Gegen 17:00 Uhr sind wir zurück im Hotel. Es bleibt nur wenig Zeit bis zur Dunkelheit um die Antenne aufzubauen.
Vor dem Hotel befindet sich unmittelbar hinter dem Strand eine große Salzwasserpfütze, in die ich die HF9V stelle. Das Koaxialkabel wirft Clyde über eine vor dem Hotel verlaufende Telefon-Freileitung um damit den am Hotel vorbeiführenden Fahrweg zu überqueren.
Mit 24 Stunden Verspätung steige ich in den WAE RTTY Contest ein. Es reicht immer noch für über 1100 QSOs, einem neuen persönlichen Rekord in einem RTTY-Wettkampf.
Nach drei Stunden Schlaf starte ich mein erstes CW-Pileup. Ich glaube zu träumen. Einen solchen Run auf J8 habe ich nicht erwartet. Nach gerade einmal 12 Stunden stehen 1165 QSOs im Log. Es läuft wie geschmiert!
Am nächsten Tag errichte ich mit Clyde die 160m-Antenne, ein Inverted L, bestehend aus einem 14m Glasfibermast mit ca. 27m Horizontal-Anteil und vier 20 Meter langen Radials. Ebenfalls in dem flachen Salzwasserpfuhl. Das erste Pileup auf 160m bringt bei wirklich guten Signalen 347 QSOs.
Leider bleiben die Bedingungen nicht so gut, aber alles in allem reicht es für 1158 QSOs auf 160m, darunter 312 Europäer.
Die Resonanz zeigt, dass es selbst für viele US-Stationen ein “new one” ist. Anscheinend gibt es wirklich relativ wenige OP, die sich die Mühe machen, sich den oft recht schwierigen Bedingungen auf 160m zu stellen. Sicher kann man in der Zeit, in der man auf 160m ein QSO fährt, auf den anderen Bändern 3 bis 5 oder mehr QSOs fahren. In Contesten ist das ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Alles läuft prima bis zum 18.11. 
Der Besitzer des morastigen Grundstücks, auf dem meine Antennen stehen, lebt auf Trinidad, macht aber gerade Urlaub auf Union Island. Offensichtlich versteht er sich nicht so recht mit unserem Wirt, seinem Cousin. Jedenfalls verlangt er den sofortigen Abbau meiner Antennen, weil sie auf seinem Grundstück nichts zu suchen hätten. Er lässt sich auch nicht auf die Intervention Clydes ein, dass es ja nur für die nächsten 14 Tage sei. Ich gebe nur schweren Herzens den ufb Standort auf.
  Mit Clyde baue ich die Antennen neben dem Hotel wieder auf, etwa 30m vom alten Standort und 15m weiter vom Meer weg.
Ich habe zwar keine direkten Vergleichsmöglichkeiten, aber die Pileups sind auch jetzt noch gewaltig. Die 160m-Antenne steht jetzt aber alles andere als optimal. Ich kann den Horizontal-Anteil der Antenne nur hangaufwärts ziehen und der Draht hängt an der tiefsten Stelle nur etwa 2-3m über Grund. Laufend verfängt sich bei Wind der Draht in den Bäumen. Alles  in allem reicht es dann aber doch für 1158 QSOs auf 160m, darunter mit 312 Europäern. Die Resonanz zeigt, dass es selbst für viele Amerikaner ein “new one” ist. Anscheinend gibt es wirklich relativ wenige OP, die sich die Mühe machen, sich den oft recht schwierigen Bedingungen auf 160m zu stellen. Natürlich kann man in der Zeit, in der man auf 160m ein QSO fährt, auf den anderen Bändern 3 – 5 oder noch mehr QSOs fahren. In Contesten ist das ein nicht zu unterschätzender Faktor.

  Wie in jedem Jahr lege ich besonderen Wert darauf, möglichst viele Japaner ins Log zu bekommen. Für JA-Stationen ist die Karibik so etwas wie für uns der Süd-Pazifik. Schwierig zu erreichen. Sie haben in diese Richtung auch nur zwei knappe Fenster von etwas über einer Stunde morgens und abends zum Sonnenauf- und -untergang.

  Es ist nicht ganz einfach, wenn man zwischen 02:00 und 03:00 nach den EU-Pileups ins Bett fällt und gegen 05:00 wieder ans Gerät will. Nach den JAs geht sinnigerweise auch wieder das 12-m-Band in Richtung EU auf, also wird noch eine Schicht ran gehängt.

  Ich erinnere mich noch gut an mein erstes JA-Pileup auf 17m. Japaner an Japaner auf 15 kHz Breite. Es ist unmöglich, alle Rufzeichen abzuarbeiten. Mit so einem Ansturm war auch nicht zu rechnen, da J8 wohl kaum zu den raren Entities zählt. Zwischen 21:20 und 22:35 schaffen es über 150 ins Log, dann gehen die Condx nach JA schlagartig auf Null.
  Immerhin schafft es  Japan in der „Länderwertung“ hinter den USA (2721 QSOs) und DL (2142 QSOs) mit 1873 QSOs auf Rang drei

  Am Ende meiner 19tägigen DXpedition stehen 18.521 QSOs im Log - ebenfalls ein neuer Rekord, wie auch meine 914 SSB-QSOs. Einige OM glaubten wohl, ihren Ohren nicht zu trauen und fragten mich, ob alles mit rechten Dingen zuginge, da ich sonst auf höchstens 10 SSB-QSOs pro DXpedition kam. Berechtigte Frage ... :o))

 

Den in der CQ DL veröffentlichten Reisebericht können Sie hier lesen.